Halo-Effekt - Fehlurteile vermeiden

Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat in seinem Weltbestseller "Schnelles Denken, langsames Denken" verschiedene Effekte erörtert, die unsere Urteils- und Entscheidungsfähigkeit beeinflussten.
Kahnemann beschreibt u.a. den „Halo-Effekt“ als Tendenz alles an einem Menschen zu mögen oder nicht zu mögen - auch was sie nicht beobachtet haben.
So werden einem Kandidaten, der einem sympathisch ist, dann auch eher Intelligenz und weitere positive Eigenschaften zugeschrieben und umgekehrt.
Die Bedeutung des ersten Eindrucks wird verstärkt, manchmal soweit, dass nachfolgende Informationen unberücksichtigt bleiben, die z.B. gegen einen Bewerber sprechen könnten (Beurteilungsfehler).
Es besteht die Tendenz, dass einzelne positive Eigenschaften die Gesamtbewertung „überstrahlen“.
Beispiel: Ein Unternehmen sucht in einer Turnaround-Situation eine neue Führungskraft, die das Unternehmen aus der Krise führen soll. Der Bewerber X hat in seinem früheren Unternehmen als Krisenmanager schnell wirtschaftliche Erfolge erzielt. Diese positive Eigenschaft kann die Wahrnehmung des Bewerbers, den Gesamteindruck, „überstrahlen“. Es besteht ggf. die Tendenz, ihm weitere positive Eigenschaften automatisch mit zuzuschreiben (wie Durchsetzungsfähigkeit, Managementkompetenz etc.), obwohl diese Eigenschaften nicht überprüft werden.
Faktisch unabhängige oder nur mäßig korrelierende Eigenschaften von Personen oder Sachen werden fälschlicherweise als zusammenhängend wahrgenommen. Ein einzelnes Merkmal einer Person wirkt so dominant, dass andere Merkmale in der Beurteilung dieser Person sehr stark in den Hintergrund gedrängt bzw. gar nicht mehr berücksichtigt werden.
Durch den „Halo-Effekt“ werden widersprüchliche (inkonsistente) Informationen vermieden, die verunsichern könnten. Der Effekt erleichtert damit die Entscheidung.
Als Lösungsansatz empfiehlt Kahnemann, dass z.B. bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit mehrere Beobachter unabhängig voneinander befragt werden, um „Überstrahlungseffekte“ einzelner Personen auszugleichen.
Der Halo-Effekt tritt v.a. auf, wenn das Urteil besonders schnell gefällt wird, das Merkmal für die Beurteilung als wesentlich angesehen wird (der vergangene betriebswirtschaftliche Erfolg) und dieses Merkmal stark ausgeprägt ist.
Es besteht die Gefahr eines Fehlurteils, wenn weitere wichtige Erfolgsfaktoren (z.B. spezifisches Branchenwissen) nicht geprüft werden, die für den zukünftigen Unternehmenserfolg mit entscheidend sind.
Wie relevant ist der Faktor für Sie? Wann tritt der Halo-Effekt auf? In welchen Situationen sehen Sie Handlungsbedarf?
Wie können Sie Fehlurteile aufgrund des Halo-Effekts vermeiden?
- Sensibilisieren Sie Ihre Wahrnehmung für den Halo-Effekt. Hinterfragen Sie kritisch, wenn bereits nach der Bewertung erster Merkmale Gesamturteile gefällt werden.
- Fragen Sie sich, auf welche hoch positiv oder negativ bewerteten Merkmale Sie mit „Überstrahlung“ reagieren. Was haben diese Merkmale mit Ihnen als Person zu tun?
- Sammeln Sie vor einer Entscheidung alle entscheidungsrelevanten Kriterien. Für Personalentscheidungen genügen 6-8 Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Zuverlässigkeit), die für den Erfolg in der Position entscheidend sind. Überlegen Sie für jedes Merkmal, wie dieses auf einer 5er-Skala von „sehr schwach“ bis „sehr stark“ eingestuft werden kann. Entscheidend ist, dass Sie für jede Ausprägung eine klare Vorstellung haben, was Sie darunter hinsichtlich der zu besetzenden Stelle verstehen. Beurteilen Sie dann insbesondere bei mehreren gleichzeitig zu Beurteilenden Merkmal für Merkmal, d. h. das erste Merkmal bei jedem zu Beurteilenden, dann das zweite usw., um nicht von einem überstrahlenden Merkmal auf andere oder irgendeinen Gesamteindruck zu schließen.
- Setzen Sie mehrere Beurteiler ein, die unabhängig voneinander Einschätzungen abgeben (Mehr-Augen- Prinzip). So können Experten bereits vor einer gemeinsamen Sitzung Ihre Vorschläge in schriftlicher Kurzform einreichen.
- Treffen Sie die Entscheidung nicht unter Zeitdruck.
© Prof.Dr.Merk
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