Konstruktion bestmöglicher Geschichten - Fehlurteile vermeiden

Kernthese: Das menschliche Gehirn konstruiert kohärente, bestmögliche Geschichten auf der Basis vorhandener Informationen, die sinnvoll interpretiert werden können, was bei unvollständigen Informationen zu Fehleinschätzungen führen kann.
Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat in seinem Weltbestseller "Schnelles Denken, langsames Denken" verschiedene Effekte erörtert, die unsere Urteils- und Entscheidungsfähigkeit negativ beeinflussen können.
Dazu gehört die Neigung bestmögliche Geschichten zu konstruieren.
Selbstreflektion:
Kahnemann nennt folgendes Beispiel: Welche Antwort fällt Ihnen spontan zu folgender Frage ein: „Wird Herr Mair eine gute Führungskraft sein. Er ist intelligent und durchsetzungsstark?“
Vielleicht fällt Ihnen „ja“ als spontane Antwort ein.
Sie haben auf der Basis der verfügbaren Informationen die aus Ihrer Sicht bestmögliche Antwort ausgewählt.
Was wäre aber wenn das Urteil überstürzt war und die nächsten Beschreibungen
lauten würden: „korrupt“ und „egozentrisch“?
Hintergrund:
Das menschliche Gehirn konstruiert kohärente, bestmögliche Geschichten auf der Basis der vorhandenen Informationen. Dies geschieht bei wenigen Informationen mit großer kognitiver Leichtigkeit. Die Menge und Qualität der Daten, auf denen die Geschichte beruht, spielt dabei keine große Rolle.
Die Stärke der inneren Überzeugung, die man mit der Geschichte/ seinem eigenen Urteil verbindet, hängt v.a. von der Konsistenz der Informationen ab, nicht von Ihrer Vollständigkeit. Einseitige Informationen vermitteln eine höhere Sicherheit als beidseitige Informationen. Wenn partielle Informationen in einer komplexen Welt sinnvoll interpretiert werden können, werden sie schnell als wahr akzeptiert.
Individueller Transfer
Wie relevant ist der Faktor für Sie? In welchen Situationen sehen Sie Handlungsbedarf? Wie können Sie Fehlurteile aufgrund dieses Denkfehlers vermeiden? Welche Konsequenzen ziehen Sie gegebenenfalls?
- Sensibilisieren Sie sich für Fehlurteile, die auf die spontane Neigung des Gehirns zurückgehen, kohärente, bestmögliche Geschichten auf der Basis der vorhandenen Informationen spontan zu kreieren.
- Fragen Sie sich, welche Informationen vollständig verfügbar sein müssen, um eine
Entscheidung abzusichern. Treffen Sie erst nach Vorliegen dieser Informationen Ihr Urteil.
- Sammeln in jedem Fall auch mögliche Contra-Argumente, selbst dann, wenn offensichtlich alles für eine Pro-Entscheidung sprechen sollte.
© Prof.Dr.Merk
Kontakt: merk@t-pu.de