Verfügbarkeitsheuristik - Fehlurteile vermeiden

Kernthese: Fehlurteile können entstehen, wenn die relative Bedeutung von Problemen nicht nach ihrem tatsächlichen Risiko beurteilt wird, sondern danach wie leicht diese aus dem Gedächtnis abgerufen werden können.

Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat in seinem Weltbestseller "Schnelles Denken, langsames Denken" verschiedene Effekte erörtert, die unsere Urteils- und Entscheidungsfähigkeit negativ beeinflussen können.

Dazu gehört die sog. Verfügbarkeitsheuristik.

Selbstreflektion:
Wie hoch schätzen Sie die Risiken der Atomenergie ein?

Hintergrund:
Menschen neigen dazu, die relative Bedeutung von Problemen danach zu beurteilen, wie leicht sie sich aus dem Gedächtnis abrufen lassen.
Beispiel: So werden die Gefahren der Atomenergie nach Katastrophen wie in Fukushima,die starke Betroffenheit ausgelöst haben, besonders hoch eingeschätzt. Politische Forderungen nach einem Ausstieg aus der Atomenergie ließen sich danach in Deutschland politisch leicht durchsetzen.
Nach einem regenarmen Sommer werden die Risiken des Klimawandels besonders hoch eingeschätzt.
Angesichts stark emotionalisierender Beispiele, die im Gedächtnis leicht verfügbar sind, besteht die Gefahr, dass die tatsächlichen Risiken, die z.B. mit der Atomenergie oder dem Klimawandel verbunden sind, überschätzt werden und damit ggf. politische Fehlentscheidungen begünstigen. Die Gefahr der Überschätzung ist umso größer, je weniger die Menschen Experten auf dem jeweiligen Gebiet sind. Nach Katastrophen neigen Menschen dazu, durch Versicherungen sich gegen Risiken zu schützen, die auf einer überzogenen Risikoeinschätzung beruhen. Erst wenn die Erinnerung an die Beispiele verblasst, kann sich diese unrealistische Risikoeinschätzun wieder relativieren. Damit besteht die Manipulationsgefahr, dass unpopuläre Entscheidungen nach eindringlichen Ereignissen durchgesetzt werden, obwohl diese unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten differenzierter zu behandeln wären.

Individueller Transfer
Wie relevant ist der Faktor für Sie? In welchen Situationen besteht die Gefahr von Fehlurteilen aufgrund von Ereignissen, die sich leicht aus dem Gedächtnis abrufen lassen?

Wie können Sie Fehlurteile aufgrund dieses Denkfehlers vermeiden?

  • Machen Sie sich das Risiko bewusst, dass eine leichte Abrufbarkeit emotionaler Ereignisse aus dem Gedächtnis die realistische Einschätzung der Bedeutung des Themas verzerren kann.
  • Lassen Sie sich nicht von einer einseitigen Informationspolitik, z.B. Medienberichterstattung, beeinflussen, die zu einer überzogen dramatischen Darstellung von Ereignissen neigt. Informieren Sie sich ausgewogen und fachlich fundiert.
  • Beurteilen Sie einen Sachverhalt nicht auf der Basis singulärer Ereignisse. Sichern Sie Ihre Einschätzung durch eine Mehrzahl repräsentativer Ereignisse ab.
  • Fragen Sie Experten nach ihrer Einschätzung.
  • Handeln Sie nach emotionalen Ereignissen nicht spontan, sondern lassen Sie sich einige Zeit, bis Sie Abstand zu aktuellen Ereignissen gewonnen haben. Hinterfragen Sie aktuelle Ereignisse kritisch z.B. danach, inwieweit diese repräsentativ sind, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des erneuten Auftretens ist etc.
  • Vermeiden Sie die Gefahr, dass bedeutende Ereignisse, die nicht im Fokus der Berichterstattung stehen,vernachlässigt werden. Relativieren Sie den Einfluss eindringlicher Einzelereignisse, indem Sie sich einen Überblick über alle relevanten Themen zu einer Aufgabe verschaffen.

© Prof.Dr.Merk

Quelle

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